
Kündigung von Mietverträgen
Telefon
0211 / 355 83 14
E-Mail
Rath@Sozialrecht-Rath.de
Adresse
Graf-Adolf-Straße 80, 40210 Düsseldorf
Kontaktformular
zum Formular
1. Enthält ein Kaufvertrag über ein vermietetes Hausgrundstück eine Vereinbarung, wonach der Mieter einer Wohnung des Hauses ein lebenslanges Wohnrecht hat, handelt es sich um einen echten Vertrag zu Gunsten Dritter.
2. Der Mieter kann aufgrund der Vereinbarung vom Erwerber die Unterlassung verlangen, auf Lebenszeit ordentlich gekündigt zu werden.
BGH, Urteil vom 14.11.2018 - VIII ZR 109/18
Solche Regelungen finden sich oft in der sogenannten „Sozialcharta“, wenn die öffentliche Hand Immobilien privatisiert. Jetzt ist die juristische Frage dahin gehend geklärt, dass die Mieter (häufig von Sozialwohnungen) selbst daraus unmittelbare Rechte geltend machen können.
Bei dem vereinbarten Kündigungsverzicht im Kaufvertrag handelt es sich nicht nur um eine Verpflichtung der Käufer gegenüber dem Verkäufer (hier: Stadt Bochum), sondern um eigene Rechte der Mieter.
1. Auch eine vom Vermieter beabsichtigte Nutzung der vermieteten Wohnung als Zweit- oder Ferienwohnung kann die Voraussetzungen einer Eigenbedarfskündigung erfüllen.
2. Entscheidend ist, ob unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände der Wunsch zur eigenen Nutzung des Vermieters ernsthaft verfolgt wird und von vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen getragen wird.
3. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn der Vermieter die Wohnung für seine Familie nur zwei bis vier Wochen im Jahr nutzen will, um Familienfeiern abzuhalten.
BGH, Beschluss vom 21.08.2018 - VIII ZR 186/17
Der in Finnland lebende Vermieter kündigte seinem Mieter (Wiesbaden) mit der Begründung, er benötige die Wohnung für die Familien seiner Kinder, um mit ihnen gemeinsame Familienferien jeweils für zwei bis vier Wochen jährlich realisieren zu können.
Die Gerichte dürfen den Eigennutzungswunsch des Vermieters nur daraufhin nachprüfen, ob dieser Wunsch ernsthaft verfolgt wird, ob er von vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen getragen ist oder ob er missbräuchlich ist. Letzteres wäre etwa der Fall, wenn der Wohnbedarf weit überhöht ist, die Wohnung die Nutzungswünsche des Vermieters überhaupt nicht erfüllen kann oder der Wohnbedarf in einer anderen (frei gewordenen) Wohnung des Vermieters ohne wesentliche Abstriche befriedigt werden kann. Bei nur kurzer Nutzung liegt hingegen kein Missbrauch vor.
1. Eine Flächenabweichung von mehr als 10% stellt regelmäßig einen nicht unerheblichen Mangel dar.
2. Die Kündigung des Mietvertrags setzt einen wichtigen Grund nach § 543(1)2 BGB voraus. Dies setzt die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertrags bis zum regulären Ende der Mietvertragslaufzeit voraus.
3. Das Kündigungsrecht verlangt daher auch bei Minderungsrechten zusätzlich konkrete Umstände, die die Fortsetzung des Mietvertrags unzumutbar erscheinen lassen.
LG Frankfurt/Main, Urteil vom 16.03.2018 - 2-21 O 167/17 (nicht rechtskräftig)
Der Mieter kündigte außerordentlich unter Berufung auf § 543(1)2 BGB den Mietvertrag, weil die Mietflächen ca. 15% geringer waren als mietvertraglich zugesichert. Trotzdem verneint das Landgericht das Vorliegen des wichtigen Grundes. Nach dem Wortlaut des § 543(1)2 BGB liegt ein wichtiger Grund nur dann vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Weicht die Größe der überlassenen Mietfläche vom Mietvertrag ab, führt dies nur dann zu einem Kündigungsrecht des Mieters, wenn er konkrete Umstände vorbringen kann, die die Fortsetzung des Mietverhältnisses trotz des Anspruchs auf Mietminderung unzumutbar erscheinen lassen.
1. Nicht bezahlte Mieten über einen Zeitraum von fünf oder sechs Monaten stellen grundsätzlich eine nicht unerhebliche Verletzung der vertraglichen Pflichten dar.
2. Nachzahlung von Mietschulden heilt die ordentliche Kündigung nicht; § 569(3) Nr. 2 BGB ist nur für den Fall der fristlosen Kündigung anwendbar.
3. Ist der Mieter wegen einer Depression erheblich und nahezu vollständig an der Bewältigung seines Alltags sowie auch der Klärung der finanziellen Angelegenheiten einschließlich der Bezahlung der Miete gehindert und bedarf er fortlaufend intensiver ärztlicher sowie psychologischer Betreuung, so trifft ihn an der Nichtzahlung der Miete kein Verschulden. Daher fehlt für die ordentliche Kündigung ein hinreichender Grund.
LG Kassel, Urteil vom 26.01.2017 - 1 S 170/15
Im vorliegenden Fall wurde die fristlose Kündigung gemäß § 569(3) Nr. 2 BGB unwirksam, weil das Wohnungsamt die Mietschulden rechtzeitig übernahm. Hinsichtlich der fristlosen Kündigung kommt es auf Verschulden nicht an.
Die hilfsweise fristgemäß erklärte Kündigung war nicht gerechtfertigt, weil dem Mieter kein Verschulden daran vorgeworfen werden konnte. Er hatte die Mietschulden aufgrund unverschuldeter wirtschaftlicher Schwierigkeiten (hier Auslaufen von Krankengeldbezug und psychische Ausnahmesituation infolge einer Depression) nicht zu vertreten. Die Erkrankung hat ihn nahezu vollständig an der Bewältigung seines Alltags und auch der Klärung seiner finanziellen Angelegenheiten einschließlich der Bezahlung der Miete gehindert. Dies schließt das für die ordentliche Kündigung erforderliche Verschulden aus.
Verursacht ein betrunkener Mieter, der regelmäßig zu viel Alkohol trinkt, einen nicht unerheblichen Wasserschaden, ist der Vermieter zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt.
AG Pforzheim, Urteil vom 18.05.2018 - 8 C 63/18
Ein Mieter leidet unter Trunksucht. Aufgrund des Alkoholkonsums kam es immer wieder zu Hausfriedensstörungen durch den Mieter. Der Vermieter sprach die außerordentliche fristlose Kündigung des Mietvertrags aus, nachdem der Mieter in stark alkoholisiertem Zustand einen erheblichen Wasserschaden im Mietobjekt verursacht hatte.
Weil es dadurch zu einer erheblichen Gefährdung von Haus und anderen Bewohnern kam, war es dem Vermieter unzumutbar, das Mietverhältnis fortzusetzen. Einer vorherigen Abmahnung bedurfte es nicht, weil das gegenseitige Vertrauensverhältnis im vorliegenden Fall bereits endgültig zerstört war und auch durch vertragsgemäßes Verhalten in der Zukunft nicht mehr wiederhergestellt werden konnte. Sogar in der Gerichtsverhandlung fiel der Mieter durch zahlreiche unqualifizierte und unsachliche Äußerungen auf und zeigte sich völlig uneinsichtig.
… die behauptete Eigennutzung der Wohnung nicht nach dem Auszug des Mieters erfolgt und der Vermieter den nachträglichen Wegfall der Absicht zur Eigennutzung nicht widerspruchslos begründen kann.
(BGH, Urteil vom 11.10.2016 - VIII ZR 300/15)
Hierzu aktuell: LG Berlin, Urteil vom 05.03.2018 - 64 S 72/17
Der Vermieter begründete Eigenbedarf für seinen Bruder mit Familie. Nach dem Auszug wurde die Wohnung an eine Flüchtlingsfamilie vermietet. Angeblich könne der Bruder aufgrund eines Schlaganfalls die Wohnung nicht mehr nutzen. Dies habe sich nach Auszug ereignet.
Das Landgericht verurteilt den Vermieter zu Schadensersatz mit der Begründung, dass der Verdacht des vorgetäuschten Eigenbedarfs besteht, wenn der Vermieter die Wohnung anderen als den ursprünglich benannten Personen überlässt. Der Vermieter muss dann genau und ohne Widersprüche erläutern, weshalb der geltend gemachte Eigenbedarf angeblich nachträglich entfallen ist. Im entschiedenen Fall war neben anderen Ungereimtheiten bereits drei Wochen vor Entlassung des Bruders der Name der Flüchtlingsfamilie an Klingelschild und Briefkasten angebracht worden.
Grundsätzlich setzt vorgetäuschter Eigenbedarf nicht zwangsläufig voraus, dass der Vermieter vorsätzlich täuschen wollte. Ausreichend ist schon, wenn der Vermieter noch nicht sicher ist, ob er die Nutzungsabsicht zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung verwirklichen kann.
Die Kündigung eines Mietvertrags ist rechtlich zulässig, wenn der Mieter Tauben füttert und sich die dadurch bewirkten Störungen in hygienischer und akustischer Hinsicht als erhebliche Belästigung für andere Mieter auswirken.
AG Bonn, Urteil vom 20.04.2018 - 204 C 204/17
Die Mieterin fütterte Tauben auf dem Balkon der Mietsache. Dabei wurden auch Ratten angezogen. Nach fruchtloser Abmahnung kündigte der Vermieter fristlos das Mietverhältnis wegen Störung des Hausfriedens durch Füttern der Tauben und Ansiedlung von Ratten. Andere Mieter im Hause hatten sich massiv über die Störungen durch Taubenkot und Ratten beschwert.
Das Amtsgericht verurteilte die Mieterin zur Räumung und Herausgabe der Mietwohnung, weil die Fütterung der Tauben eine erhebliche Vertragsverletzung darstellt, die zur fristlosen Kündigung berechtigt. Füttern von Tauben gelte allgemein nicht als sozialadäquat, da von Tauben Verschmutzungen und Gesundheitsgefahren ausgehen (LG Braunschweig, Urteil vom 04.03.2014 - 6 S 411/13). Ein Recht zur außerordentlichen Kündigung besteht, wenn der Mieter Tauben füttert und sich die dadurch bewirkten Belästigungen sich in hygienischer und akustischer erheblich für andere Mieter auswirkten (Schmidt/Futterer-Blank, Mietrecht, 13. Aufl., § 543 Rz. 60). Im vorliegenden Fall wurden mindestens 40 bis 50 Tauben durch die jeweiligen Fütterungen angezogen. Auch die akustische Belästigung war erheblich. Ratten wurden durch liegen gebliebenes Futter angelockt. Es kam zu erheblichen Kotablagerungen.
Bei weniger intensivem Taubenfüttern kommt auch eine Unterlassungsklage in Betracht.
LG Frankfurt/Main, Urteil vom 26.04.2018 - 2-11 S 192/17
Streitentscheidend war die Frage, ob wegen einer möglichen Selbsttötungsgefahr ein Härtegrund vorlag, der eine Räumung der Wohnung hindert?
Gemäß § 543(1)2 BGB liegt ein wichtiger Kündigungsgrund vor, wenn dem Vermieter unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Zu den Umständen des Einzelfalls gehören auch Härtegründe auf Seiten des Mieters. Im vorliegenden Einzelfall war trotz Berücksichtigung der psychischen Erkrankung der Mieterin die Zumutbarkeitsgrenze überschritten.
Der BGH hat bereits 2016 darauf hingewiesen, dass selbst bei Vorliegen einer Suizidgefahr wegen einer Zwangsräumung ein Räumungsanspruch bestehen kann (BGH, Beschluss vom 21.01.2016 - I ZB 12/15). Aber: Es bleibt eine erhöhte Beweislast bezüglich der Schwere der Pflichtverletzung, wenn der Mieter einen berechtigten Härteeinwand erhebt. Daher kommt es auf den Einzelfall an.
Ist lediglich eine symbolische Miete (hier: 1 Euro) vereinbart, so ist bei einer Kündigung wegen Zahlungsverzugs nicht auf diese symbolische Miete, sondern auf den objektiven Mietwert der Wohnung abzustellen.
§ 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB über die Schonfristzahlung (Zahlung sämtlicher Mietrückstände bis spätestens 2 Monate nach Zustellung der Räumungsklage) findet keine entsprechende Anwendung auf die ordentliche Kündigung (BGH, Urteil vom 10.10.2012 - VIII ZR 107/12, IMRRS 2012, 3023 = ZMR 2013, 104).
BGH, Beschluss vom 15.05.2018 - VIII ZR 150/17
Um ein dingliches Wohnrecht im Grundbuch auszulösen, schlossen die Parteien einen Mietvertrag über eine Dachgeschosswohnung, in dem sie eine symbolische Miete von 1 Euro zuzüglich Betriebskostenvorauszahlung monatlich vereinbarten. Der Vermieter schloss sein Recht zur ordentlichen Kündigung aus. Nachdem die Mieterin mit 663 Euro in Verzug geraten war, kündigte der Vermieter das Mietverhältnis außerordentlich und hilfsweise ordentlich. Danach verpflichtete sich die Stadt, die fälligen Mietschulden zu übernehmen. Dadurch wurde die fristlose Kündigung rückwirkend unwirksam. Die ordentliche Kündigung war mietvertraglich ausgeschlossen.
BGH, Beschluss vom 08.05.2018 - VIII ZR 200/17
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes unterscheidet bei Streit um die Wirksamkeit eines Verzichts auf die ordentliche Kündigung eines Mietvertrags vor allem danach, ob es sich um eine vorformulierte (dann AGB) oder individualvertraglich vereinbarte Vereinbarung handelt. Außerdem muss unterschieden, ob der Kündigungsausschluss nur den Mieter oder beide Parteien betrifft. Schließlich ist die Dauer und die Verbindung mit einer Staffelmiete ein Differenzierungskriterium.
Die Übernahme zusätzlicher Lasten als Gegenleistung für den Kündigungsverzicht kann beispielsweise für eine Individualvereinbarung sprechen. Eine solche kann auch zeitlich unbeschränkt das Kündigungsrecht ausschließen. Auf die Unwirksamkeit einer AGB-Klausel könnte sich der Verwender (das ist meistens der Vermieter, der den Vertragsentwurf vorlegt) aber nicht berufen.
Individualvertraglich ist jetzt ist auch zeitlich unbefristet ein Verzicht auf eine ordentliche Kündigung möglich.
LG Berlin, Beschluss vom 19.01.2018 - 66 S 230/17
Die Vermieterin hatte den Mieter, einen Messie, am 29.07.2016 abgemahnt wegen der Vermüllung und Verschmutzung seiner Wohnung. Da der Mieter sein Verhalten nicht änderte, wurde er am 23.01.2017 fristlos gekündigt.
Der Mieter hat die Rechte der Vermieterin dadurch in erheblichem Maße verletzt, dass er die Wohnung durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet hat, indem er es zuließ, dass die Wohnung in seiner Obhut derartig vermüllte und verdreckte. Der Mieter hat die ihm obliegende Sorgfaltspflicht verletzt, indem er die Wohnung nicht pfleglich behandelt, sondern in erheblichem Ausmaß mit Fäkalien, Schmutz, Abfall und Essensresten verdreckt hat. Hierdurch hat er die Mietsache erheblich gefährdet. Eine Gefährdung der Mietsache liegt dann vor, wenn sie durch die Sorgfaltspflichtverletzung bereits geschädigt worden ist oder wenn der Eintritt eines Schadens nach der Sachlage signifikant höher als bei einem vertragsgerechten Verhalten ist.
Auch ein für den Mieter aufgrund Krankheit ("Messie-Syndrom") schwer vermeidbares Verhalten kann für eine fristlose Kündigung nach Abmahnung genügen. Dies gilt insbesondere bei Vermüllung der Wohnung in Kombination mit jeder Art von Feuchtigkeit und Geruchseinwirkungen.
LG Berlin, Urteil vom 25.01.2018 - 67 S 272/17
AG Frankfurt/Main, Urteil vom 12.01.2018 - 33 C 2332/17
Das Gericht stellt in den Entscheidungsgründen außerdem klar, dass sich deshalb auch kein Recht zur Kündigung wegen Eigenbedarfs ergibt, weil die Vermieter die Wohnung weder für sich noch für Haushalts- oder Familienangehörige benötigen.
Nach Verkauf der Mietsache kann der neue Vermieter sich nicht auf Zahlungsverzögerungen gegenüber dem alten Vermieter berufen.
LG Düsseldorf, Urteil vom 23.08.2017 - 23 S 92/16
Der neue Vermieter kündigte das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs, der gegenüber dem alten Vermieter und Verkäufer der Mietsache eingetreten war. Das Landgericht verneint dies mit der Begründung, dass hiervon nur das Vertragsverhältnis mit dem Rechtsvorgänger betroffen war. Auch soweit nach Vermieterwechsel noch einmal Zahlungsverzug auftrat, reichte das im vorliegenden Fall nicht, da in Bezug auf den neuen Vermieter Zahlungsverzug nicht wiederholt gegeben war.
LG Düsseldorf, Urteil vom 23.08.2017 - 23 S 92/16
Nach der Rechtsprechung des BGH ist ein formularmäßiger Kündigungsausschluss unwirksam, wenn er länger als vier Jahre gilt. Auch individualvertraglich scheitert ein dauerhafter Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung eines Mietvertrags nicht zuletzt an der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG.
Die Kündigung wegen Eigenbedarf ist nicht nur bei Begründung des Lebensmittelpunkts in der gekündigten Wohnung möglich.
BGH, Beschluss vom 22.08.2017 - VIII ZR 19/17
Damit sind jetzt auch die zeitlichen Voraussetzungen eines "Benötigens" in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes geklärt.
Dabei kommt es maßgeblich auf die Würdigung der Umstände des Einzelfalls an. Die Kriterien „ernsthafte, vernünftige und nachvollziehbare Gründe für einen Eigenbedarf“ müssen durch die tatrichterliche Würdigung im Einzelfall vorgenommen werden.
BGH, Urteil vom 27.09.2017 - VIII ZR 243/16
Gemäß § 573(2) Nr. 3 BGB liegt ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses vor, wenn der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert ist und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde (Verwertungskündigung).
Allein der Wunsch zur Gewinnoptimierung reicht nicht aus. Es muss aber auch kein Existenzverlust drohen. Auf jeden Fall müssen die erheblichen Nachteile beim Vermieter selbst eintreten.
Das Urteil zeigt, wie streng die Voraussetzungen für eine solche Kündigung sind. Es ist eine sehr ausführliche Begründung der Kündigung zu den konkreten Nachteilen erforderlich. Pauschalierungen reichen nicht aus.
Existieren keine Erben nach dem Tod des Mieters, kann der Vermieter zur Räumung der Wohnung die Anordnung einer Nachlasspflegschaft beantragen, weil der Vermieter sonst keinen (Kündigungs-)erklärungsempfänger hat, gegenüber dem er die Kündigung des Mietverhältnisses aussprechen könnte. Fehlendes Nachlassvermögen steht der Anordnung nicht entgegen.
KG, Beschluss vom 02.08.2017 - 19 W 102/17
Der Vermieter muss beim zuständigen Nachlassgericht die Anordnung einer Nachlasspflegschaft mit dem "Wirkungskreis Kündigung, Räumung und Abwicklung des Mietverhältnisses" beantragen, wenn die Erbfolge des verstorbenen Mieters unklar ist. Hintergrund ist die Tatsache, dass ein Mietverhältnis gemäß §§ 563, 564 BGB mit Erben fortgesetzt wird und dem Vermieter nur ein Sonderkündigungsrecht zusteht.
Der Vermieter kann seinem Mieter bei Verzug mit abgerechneter Betriebskostennachzahlung, die zwei Monatsmieten übersteigt, sowohl ordentlich als auch außerordentlich kündigen. Die Pflicht zur Nachzahlung von Nebenkosten stellt also Mietschulden dar.
BGH, Urteil vom 10.10.2012 – VIII ZR 107/12; AG Offenbach, Urteil vom 21.12.2016 - 350 C 517/12
Die ordentliche Kündigung gemäß § 573(2)1 BGB ist gerechtfertigt, weil ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses vorliegt. Hierfür ist der Verzug mit einem Betrag ausreichend, der mehr als eine Monatsmiete übersteigt (also Monatsmiete plus € 0,01). Der ordentlichen Kündigung muss eine Mahnung vorangegangen sein.
Bei Verzug mit einem Nachzahlungsbetrag in Höhe eines Betrags von mindestens zwei Monatsmieten ist sogar die fristlose Kündigung gemäß § 543(2) Nr. 3 BGB zulässig.
Ein Mieter kann nach § 574a(2)2 BGB verlangen, dass das Mietverhältnis trotz Kündigung wegen Eigenbedarfs (kein Zahlungsverzug) fortgesetzt wird, wenn dem Mieter wegen Krankheit und Alter nicht zugemutet werden kann, für eine Übergangszeit eine andere Wohnung zu suchen, solange er auf eine freie Wohnung im Rahmen des Betreuten Wohnens warten muss.
AG Pforzheim, Urteil vom 19.06.2017 - 6 C 71/17
Der Mieter erhebt nach Kündigung des Mietvertrags den Härteeinwand, weil er 1937 geboren sei, an erheblichen gesundheitlichen Problemen wie einem Herzklappenfehler und unter Bluthochdruck leide und es ihm nicht zugemutet werden könne, aus der Mietwohnung auszuziehen, da er keinen freien Platz im betreuten Wohnen finden könne. Das Mietverhältnis bestand seit 1975.
Die erforderliche Interessenabwägung zwischen dem Bestandsinteresse des Mieters und dem Räumungsinteresse des Vermieters fällt so zu Gunsten des Mieters aus.
Ein Mieter kann einer Kündigung mit Erfolg widersprechen, wenn darin eine besondere Härte liegt. Darunter sind Nachteile wirtschaftlicher, finanzieller, gesundheitlicher, familiärer oder persönlicher Art zu verstehen, die infolge der Vertragsbeendigung auftreten können. Zum Alter des Mieters müssen grundsätzlich konkrete weitere Umstände hinzukommen, die gemeinsam mit dem Alter dazu führen, dass die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter eine besondere Belastung bedeutet, die seinem Wohnungswechsel entgegenstehen.
Das Mietrecht bestimmt, dass der Vermieter Erklärungen gegenüber allen Mietern abgeben muss. Eine Klausel im Mietvertrag, wonach es dem Vermieter erlaubt ist, Erklärungen wie Kündigungen oder Mieterhöhungsverlangen nur gegenüber einem Mieter abzugeben, ist unwirksam. Es ist also nicht möglich, im Mietvertrag durch vorformulierte Vertragsbestimmung nur eine Person für die übrigen Mieter als Empfangsbevollmächtigten zu bestimmen.
Haben also mehrere Personen gemeinsam den Mietvertrag unterschrieben, muss die Kündigung auch allen Mietern gegenüber erklärt und auch bekannt gegeben werden.
LG München I, Urteil vom 12.10.2016 - 14 S 6395/16
Sogar wenn ein Mieter auszieht und der Vermieter dies weiß, muss er die Kündigung an die neue Adresse zustellen, weil die Kündigung jedem Mieter zugehen und damit bekannt gegeben werden muss. Ist dem Vermieter die neue Adresse unbekannt, muss der Vermieter geeignete Nachforschungen anstellen, um die neue Adresse eines ausgezogenen Mieters in Erfahrung zu bringen. Eine vertraglich vorformulierte Empfangsvollmacht (Allgemeine Geschäftsbedingung) eines Mieters für die anderen ist unwirksam, weil sie die anderen Mieter unangemessen benachteiligt. Für den Zugang einer Willenserklärung ist der Absender, bei einer Vermieterkündigung also der Vermieter beweisbelastet.
LSG Bayern, Beschluss vom 07.03.2017 - L 7 AS 181/17 ER
Der Vermieter kündigte innerhalb kurzer Zeit zweimal das Mietverhältnis wegen Zahlungsrückständen fristlos.
Das Landessozialgericht lehnt die einstweilige Verpflichtung des Wohnungsamtes zur Übernahme von Mietschulden ab, weil die Wohnung nach der zweiten Kündigung nicht mehr gesichert werden kann. Die Übernahme der Mietschulden setzt zwingend voraus, dass der Vermieter der Fortsetzung des Mietverhältnisses zustimmt.
Nach § 22(8) SGB II können Mietschulden übernommen werden, wenn dies zur Sicherung der Wohnung gerechtfertigt ist. Gemäß § 569(3) Nr. 2 BGB wird nur eine fristlose Kündigung unwirksam, wenn Mietschulden rechtzeitig nachgezahlt werden oder sich das Amt für Wohnungsnotfälle zur Zahlung verpflichtet. Dies gilt aber nicht, wenn Mietschulden innerhalb der letzten zwei Jahre schon einmal entstanden waren und der Vermieter schon einmal gekündigt hatte. Dann muss der Mieter nachweisen, dass der Vermieter im Wiederholungsfall auf die Kündigung verzichtet.
Besonders schwierig wird es, wenn der Vermieter auch hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Termin kündigt. In diesem Fall hat auch eine Zahlung sämtlicher Mietschulden nur die Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung zur Folge, aber nicht der ordentlichen Kündigung. Dementsprechend ist das Amt für Wohnungsnotfälle nicht zur Zahlung der rückständigen Miete verpflichtet, weil die Wohnung aufgrund der ordentlichen Kündigung ohne Zustimmung des Vermieters nicht gesichert werden kann. So auch das LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.02.2016 - L 7 AS 93/16 B ER.
Bei einer Kündigung des Mietvertrags wegen Eigenbedarfs reicht es grundsätzlich aus, folgende Angaben zu machen: Angabe der Person, für die die Wohnung benötigt wird, und Angabe des Interesses, das diese Person an der Wohnung hat. Dagegen muss die Begründung keine Ausführungen zu Wohnungen enthalten, die dem Mieter alternativ vermietet werden können.
BGH, Urteil vom 15.03.2017 - VIII ZR 270/15
Der BGH stellt klar, dass die Kündigung eines Mietvertrags wegen Eigenbedarfs formell wirksam ist, wenn der Vermieter keine Angaben zu Ersatzwohnraum macht. Ausführungen zu möglichen Alternativen zur Deckung des Bedarfs sind entbehrlich. Das gilt erst recht, wenn dem Mieter die räumlichen Verhältnisse im Haus bekannt sind. Auch andere Umstände, die einem Mieter längst bekannt sind, müssen nicht nochmals ausdrücklich im Kündigungsschreiben angegeben werden.
Das betrifft jedoch nur die formelle Wirksamkeit der Kündigung. Ob die Kündigung materiell rechtmäßig ist, setzt voraus, dass dem Mieter kein Ersatzwohnraum zur Verfügung gestellt werden kann.
Der abstrakte Hinweis des Vermieters, die Mietwohnung "für eigene Zwecke" zu benötigen, entspricht nicht den für eine Eigenbedarfskündigung vorausgesetzten Anforderungen an die Begründung. Hierzu muss der Vermieter alle wesentlichen Tatsachen und Lebensvorgänge offenlegen, die seinen Eigenbedarf begründen sollen. Der Grund hierfür ist, dass der Mieter in die Lage versetzt werden soll, zu überprüfen, ob eine Verteidigung gegen die Kündigung Aussicht auf Erfolg hat.
LG Berlin, Urteil vom 15.11.2016 - 67 S 247/16
Eine Kündigung, die sich quasi darauf beschränkt, den Gesetzeswortlaut wiederzugeben, reicht zur Begründung nicht aus. Der Vermieter muss dem Mieter die so genannten "Kerntatsachen" offenlegen, aus denen sich sein Eigenbedarf ergibt. Pauschale und damit unkonkrete Angaben des Vermieters sind nicht nachprüfbar und damit für die Begründung einer Kündigung des Mietvertrags wegen Eigenbedarfs ungeeignet.
Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) kann analog zu § 573(2) Nr. 2 BGB wegen Eigenbedarfs eines ihrer Gesellschafter einen Mietvertrag kündigen, wenn die GbR der Vermieter ist. Dasselbe gilt für den Eigenbedarf für Angehörige eines Gesellschafters (beispielsweise seiner Kinder). Das Kündigungsrecht ist dabei nicht auf kleine Gesellschaften beschränkt.
BGH, Urteil vom 14.12.2016 - VIII ZR 232/15
Der Bundesgerichtshof bestätigt damit seine früheren Entscheidungen, wonach sich an der früher unbestritten bestehenden Kündigungsmöglichkeit nichts verändert. Der BGH hält die Kündigung durch eine GbR für vergleichbar mit der einer Miteigentümer- oder Erbengemeinschaft. Dass diese für ihre Mitglieder wegen Eigenbedarfs kündigen dürfen, ist seit langem höchstrichterlich anerkannt. Missbrauchsfällen kann mit der Anwendung der Vorschrift des § 242 BGB wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben in Einzelfällen bei besonderer Härte oder Schutzbedürftigkeit begegnet werden.
LG Düsseldorf, Urteil vom 28.09.2016 - 23 S 18/15
Jede Mietpartei muss sich so verhalten, dass die übrigen Bewohner des Hauses nicht vermeidbar beeinträchtigt werden. Bezogen auf den Tabakrauchgeruch wird die Grenze zum verbotenen Mietgebrauch überschritten, wenn einfache und zumutbare Maßnahmen (Lüften oder Entsorgen der Asche) nicht ergriffen werden.
Eine Geruchsbelästigung von Mitmietern durch Zigarettenrauch, die durch Lüftung über die Fenster vermieden werden kann, stellt einen Kündigungsgrund dar.
BGH, Beschluss vom 23.08.2016 - VIII ZR 23/16
Der Zeitraum wird vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses bis zu dem Zeitpunkt berechnet, zu dem der Mieter den Vertrag erstmals beenden kann. Die Auslegung der zitierten Klausel durch den Bundesgerichtshof ergibt, dass für den Beginn des vierjährigen Kündigungsausschlusses der Tag des Mietbeginns maßgeblich ist. Unter "zum Ablauf dieses Zeitraums" wird verstanden, dass das Kündigungsrecht - unter Beachtung der gesetzlichen Kündigungsfrist – während des laufenden Mietverhältnisses zum Ablauf der Vierjahresfrist ausgeübt werden kann.
Damit steht fest, dass vorformulierte Formularklauseln in Mietverträgen mit einem bis zu vierjährigen Kündigungsausschluss grundsätzlich wirksam sind.
AG Neu-Ulm, Urteil vom 06.04.2016 - 5 C 228/16
Vermieter müssen wissen, ob Kündigungen wirksam sind. Das Amtsgericht verneint einen engen zeitlichen Zusammenhang jedenfalls dann, wenn verschiedene Kündigungen aufgrund der gesetzlichen Kündigungsfristen zu unterschiedlichen Beendigungszeitpunkten des Mietvertrags führen.
Dem Vermieter ist es daher zu empfehlen, auf eine einheitliche Kündigungserklärung aller Mieter hinzuwirken.
Eine Kündigung wegen unbefugter Überlassung der selbst nur gemieteten Wohnung über ein Internetportal (hier "airbnb") an Touristen ist nur wirksam, wenn der Vermieter den Mieter vor der Kündigung abgemahnt hat.
LG Berlin, Beschluss vom 27.07.2016 - 67 S 154/16
Die Vermietung der selbst nur gemieteten Wohnung an Touristen ist eine unerlaubte Gebrauchsüberlassung an Dritte dar. Das stellt gemäß § 543(1), (2)1 Nr. 2 BGB einen wichtigen Grund dar, der den Vermieter zur Kündigung berechtigt (Kündigungsgrund). Die Kündigung des Mietverhältnisses setzt aber eine vorherige und erfolglose Abmahnung des Mieters voraus. Eine Abmahnung wäre nur entbehrlich, wenn durch das Fehlverhalten des Mieters die Vertrauensgrundlage zwischen Mieter und Vermieter so schwer erschüttert ist, dass sie auch durch eine erfolgreiche Abmahnung nicht wieder hergestellt werden kann (LG München I, Urteil vom 10.10.2012 - 14 S 9204/12).
BGH, Urteil vom 20.07.2016 - VIII ZR 238/15
Der BGH hatte zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen eine auf Zahlungsverzug gestützte Kündigung unwirksam wird, wenn sich der Mieter auf eine unverschuldete Notlage beruft.
Eine ordentliche Kündigung ist nur wirksam, wenn der Mieter schuldhaft seine Mieten nicht gezahlt hat. Deshalb hat er die Möglichkeit, sich auf unvorhersehbare wirtschaftliche Engpässe zu berufen. Weil Verschulden gemäß § 280(1) BGB vermutet wird, ist es Sache des Mieters, im Einzelnen darzulegen, dass er einen Zahlungsverzug aufgrund des Eintritts einer unvorhersehbaren wirtschaftlichen Notlage mangels Verschuldens nicht zu vertreten habe. Dabei muss der Mieter Vermögensverhältnisse offenlegen und alle Umständen erläutern, die die zu seinem finanziellen Engpass geführt haben.
OLG Frankfurt, Urteil vom 27.04.2016 - 2 U 9/16 (nicht rechtskräftig)
Die Käuferin des Objekts trat gemäß § 566 BGB in den Mietvertrag ein und kündigte wegen Schriftformmangels mit gesetzlicher Frist. Hierzu war sie berechtigt, weil die Einigung über die mündliche Vermietung eines Kellerraums eine wesentliche, formbedürftige Vereinbarung darstellt, wenn der Mieter die Mietsache ohne Kellerraum nicht angemietet hätte. Die wirtschaftliche Bedeutung der beabsichtigten Kellernutzung ist wesentliches Merkmal gemäß § 550 BGB. Im Fall sollte die Nutzung des Kellerraums erkennbar mit der Nutzung der Praxisräume des Mieters zusammenhängen. Deshalb sei die Nutzung wirtschaftlich bedingt gewesen. Damit steht für das Gericht die Wesentlichkeit gemäß § 550 BGB fest. Die mündliche Überlassung zusätzlicher Räume (z. B. Kellerraum) stellt einen Schriftformmangel dar, wenn der Raum wirtschaftlich für den Mieter von Bedeutung ist.
BGH, Urteil vom 13.07.2016 - VIII ZR 296/15
§ 314(3) BGB verlangt, dass eine Kündigung von Dauerschuldverhältnissen in angemessener Frist ausgeübt wird. Laut Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) ist zumindest im Wohnraummietrecht § 314(3) BGB auf die Kündigung von Mietverhältnissen aus wichtigem Grund gemäß §§ 543, 569 BGB nicht anwendbar. Die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses ist als abschließende spezielle Regelung konzipiert. Demnach haben spezielle mietrechtliche Kündigungsgründe als speziellere gesetzliche Regelungen Vorrang vor § 314(3) BGB. Ob diese Entscheidung auch für Gewerberäume gilt, hat der zuständige XII. Senat des BGH bisher nicht entschieden.
LG München I, Urteil vom 04.05.2016 - 14 S 6582/15